Hat sich das Publikationsverhalten in den Wirtschaftswissenschaften durch die COVID-19-Pandemie verändert? Internationaler ZBW-Workshop diskutiert erste Studienergebnisse

Ohne Zweifel hat Corona Spuren hinterlassen: Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur den Alltag vieler Menschen verändert, sondern auch ihr berufliches Arbeiten stark beeinflusst. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Arbeit von Forschenden der Wirtschaftswissenschaften insbesondere im Hinblick auf das Publikationsverhalten? Wie hat sich die Forschungsdynamik unter den Wirtschaftswissenschaftler:innen verändert und gibt es geschlechterspezifische Unterschiede, was die Produktivität betrifft?

Diesen Fragen widmete sich der Workshop „The impact of the COVID-19 pandemic on publication behaviour in economics and business studies“ am 14. September 2021. 50 Teilnehmende aus allen Teilen der Welt haben 7 unveröffentlichte Studien diskutiert, die noch nicht durch ein Peer-Review-Verfahren gegangen sind. Organisiert wurde der Workshop durch Prof. Dr. Isabella Peters, Olaf Siegert und Dr. Nicholas Fraser.

Folgende Kernergebnisse hat der Workshop ergeben:

  1. COVID-19 hat zu einer zwischenzeitlich starken Zunahme an Publikationstätigkeit geführt, was v.a. an der Anzahl der veröffentlichten Preprints (in den Wirtschaftswissenschaften meist „Working Papers“ genannt) ablesbar ist. Dies war aber anscheinend ein temporärer Effekt, der v.a. im Frühjahr/Sommer 2020 zu bemerken war und sich mittlerweile wieder gelegt hat.
  2. Bei den Preprints in den Wirtschaftswissenschaften war die Pandemie selbst sehr stark Thema – etwa 15% aller Publikationen seit Beginn der Pandemie handeln auch von ihr. Auch hier war der Effekt 2020 stärker und nimmt nun langsam wieder ab. COVID-bezogene Papers wurden auch stärker genutzt, d.h. heruntergeladen und zitiert.
  3. „Gender disparities“: Bezogen auf das Geschlecht war vorübergehend eine relativ stärkere Publikationstätigkeit bei Männern zu beobachten. Der Einbruch bei den Frauen war vor allem bei Müttern von kleinen Kindern zu beobachten, die durch Lockdown und Home Schooling besonders beeinträchtigt waren. Auch hier scheint der Effekt mittlerweile wieder abzunehmen.
  4. Bezogen auf das Reputationssystem in den Wirtschaftswissenschaften scheint Corona keine größeren Auswirkungen zu haben. Corona hat vor allem das Publikationsverhalten im Bereich Preprints positiv beeinflusst - die Bedeutung von Journal Rankings und das Einreichungsverhalten bei Journals haben sich wenig bis gar nicht verändert.
  5. Alles in allem besteht die Vermutung, dass die Pandemie ein temporärer Schock auf das Publikationsverhalten war, der sich auf Ebene der Preprints in dreifacher Hinsicht äußerte:
    • a. Mehr Output insgesamt
    • b. Pandemie als klar wahrnehmbares eigenes Forschungsthema für die Wirtschaftswissenschaften
    • c. Temporär messbare „gender disparities“ (v. a. bei Müttern von kleinen Kindern)

Noch ist es zu früh, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Publikationsverhalten von Wirtschaftswissenschaftler:innen vollends einschätzen zu können. Die Dynamiken scheinen komplizierter als angenommen und es werden noch mehr Daten gesammelt werden müssen, um aussagekräftige Angaben machen zu können.

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